Gulliver,
die Hauptfigur in Jonathan Swifts weltberühmtem Werk, bereist verschiedene
Fantasiewelten und entdeckt unter anderem die Unvernunft des Menschen. Chris Culliver,
Cornerback bei den San Francisco 49ers und Hauptfigur des neuesten Skandals in
der NFL, entdeckt seine eigene Unvernunft.
Culliver, der Mann im Vordergrund, mit reuevollem Blick. |
Antiquierte und
höchst anstößige Kommentare
Culliver
hat in den letzten Tagen einiges durchgemacht. Damit ist nicht gemeint, dass er
heute Abend an dem wichtigsten Spiel in seiner bisherigen sportlichen Karriere
teilnehmen wird. Nein. Chris Culliver hat mit seinen antiquierten und höchst anstößigen
Kommentaren zur Homosexualität im Sport ein enormes Medienecho ausgelöst, auf
das der junge Mann nicht vorbereitet war und dessen Auswirkungen noch nicht
vollständig abzusehen sind. Seine Mannschaft kritisierte ihn unmissverständlich. Sein
Trainer distanzierte sich von ihm. Unklar bleibt, ob Culliver weiter für die San
Francisco 49ers spielen wird, die immerhin die Stadt mit dem größten Anteil homosexueller Menschen stolz repräsentiert.
Vorbild USA?
Terrell
Suggs, Linebacker bei den Baltimore Ravens, äußerte sich neben anderen
besonders deutlich: „In unserer Mannschaft […] akzeptieren wir die Menschen wie
sie sind. Wir kümmern uns nicht so sehr um die Sexualität einer Person.“ Ein
Lichtblick in der Debatte, die zeigt, dass die USA sexistische Äußerungen
nachhaltig bekämpfen. Ist Deutschland auch schon so weit? Vielleicht nicht. Gerade
in der Zeit, in der über Sexismus in der Politik heftig gestritten wird, ist
eine Debatte über Homosexualität nötig. Abgesehen von dem stark in die Kritik
geratenen Fluter-Artikel über einen schwulen Fußballer, dessen Authentizität
zurecht stark angezweifelt wird, ist Homosexualität im deutschen Fußball kein
Thema. Ist es kein Thema, weil der Sport aufgeklärter ist als wir denken, oder
ist es kein Thema, weil es aus Angst oder Verbohrtheit totgeschwiegen wird? Letzteres
ist der Fall.
Das
Argument, das schwule Profis sich angreifbar machen, gilt wahrscheinlich hauptsächlich
im Fußball, wo Fangruppen die Debatte in den Stadien steuern. In den USA gibt
es keine Fankultur mit vergleichbarer Macht. Hier würden die anti-schwulen
Kampagnen eher über konservative Medien und Verbände kommuniziert werden.
Chris
Culliver muss nun Buße tun. Ob die Strafe von ehrlicher Intention geprägt ist,
etwas zu ändern oder nur Zielgruppen orientiert, bleibt fraglich. Doch damit
wird ein Zeichen gesetzt. Die Intention ist deutlich: Wir sind eine offene
Gesellschaft. Diskriminierende Kommentare haben in der NFL keinen Platz.
Gulliver, der Mann im Vordergrund, mit entdeckerischem Blick. |
Gullivers Reisen
Obwohl
Gulliver sich vornimmt nach seiner ersten Reise nicht mehr in See zu stechen,
tut er es trotzdem. Hoffentlich ergeht es Culliver nicht wie
Gulliver und er belässt es bei einem törichten Fehltritt.
mh
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