Sonntag, 3. Februar 2013

Cullivers Reisen: Ein Football-Spieler auf geistigen Irrwegen



Gulliver, die Hauptfigur in Jonathan Swifts weltberühmtem Werk, bereist verschiedene Fantasiewelten und entdeckt unter anderem die Unvernunft des Menschen. Chris Culliver, Cornerback bei den San Francisco 49ers und Hauptfigur des neuesten Skandals in der NFL, entdeckt seine eigene Unvernunft.

Culliver, der Mann im Vordergrund, mit reuevollem Blick.

Antiquierte und höchst anstößige Kommentare
Culliver hat in den letzten Tagen einiges durchgemacht. Damit ist nicht gemeint, dass er heute Abend an dem wichtigsten Spiel in seiner bisherigen sportlichen Karriere teilnehmen wird. Nein. Chris Culliver hat mit seinen antiquierten und höchst anstößigen Kommentaren zur Homosexualität im Sport ein enormes Medienecho ausgelöst, auf das der junge Mann nicht vorbereitet war und dessen Auswirkungen noch nicht vollständig abzusehen sind. Seine Mannschaft kritisierte ihn unmissverständlich. Sein Trainer distanzierte sich von ihm. Unklar bleibt, ob Culliver weiter für die San Francisco 49ers spielen wird, die immerhin die Stadt mit dem größten Anteil homosexueller Menschen stolz repräsentiert.

Vorbild USA?
Terrell Suggs, Linebacker bei den Baltimore Ravens, äußerte sich neben anderen besonders deutlich: „In unserer Mannschaft […] akzeptieren wir die Menschen wie sie sind. Wir kümmern uns nicht so sehr um die Sexualität einer Person.“ Ein Lichtblick in der Debatte, die zeigt, dass die USA sexistische Äußerungen nachhaltig bekämpfen. Ist Deutschland auch schon so weit? Vielleicht nicht. Gerade in der Zeit, in der über Sexismus in der Politik heftig gestritten wird, ist eine Debatte über Homosexualität nötig. Abgesehen von dem stark in die Kritik geratenen Fluter-Artikel über einen schwulen Fußballer, dessen Authentizität zurecht stark angezweifelt wird, ist Homosexualität im deutschen Fußball kein Thema. Ist es kein Thema, weil der Sport aufgeklärter ist als wir denken, oder ist es kein Thema, weil es aus Angst oder Verbohrtheit totgeschwiegen wird? Letzteres ist der Fall.
Das Argument, das schwule Profis sich angreifbar machen, gilt wahrscheinlich hauptsächlich im Fußball, wo Fangruppen die Debatte in den Stadien steuern. In den USA gibt es keine Fankultur mit vergleichbarer Macht. Hier würden die anti-schwulen Kampagnen eher über konservative Medien und Verbände kommuniziert werden.
Chris Culliver muss nun Buße tun. Ob die Strafe von ehrlicher Intention geprägt ist, etwas zu ändern oder nur Zielgruppen orientiert, bleibt fraglich. Doch damit wird ein Zeichen gesetzt. Die Intention ist deutlich: Wir sind eine offene Gesellschaft. Diskriminierende Kommentare haben in der NFL keinen Platz.
Gulliver, der Mann im Vordergrund, mit entdeckerischem Blick.

Gullivers Reisen
Obwohl Gulliver sich vornimmt nach seiner ersten Reise nicht mehr in See zu stechen, tut er es trotzdem. Hoffentlich ergeht es Culliver nicht wie Gulliver und er belässt es bei einem törichten Fehltritt.

mh