Donnerstag, 28. März 2013

Wetten gegen Veteranen. Die NFL und ihre erfahrenen Spieler.

Die Karten werden neu gemischt. Die Free-Agency-Hauptphase ist vorüber, in 28 Tagen steht der Draft an und Teams bringen sich für die kommende Saison in Position. Grund genug, die wichtigsten Transfers genau zu analysieren.


Wie gewohnt: Welker bei der Arbeit. Terrell Suggs hätte gesagt: „Just another day at the office.”


Warum weg mit Welker?
768 Receptions, 8.580 Yards, im Durchschnitt 11.2 Yards pro Ball, in den letzten sechs Jahren, 5-mal deutlich über 1000 Yards und doch ersetzbar? Erst die kommende Spielzeit wird zeigen, ob die Patriots gut beraten waren Wes Welker, ihren besten Widereceiver, an den Konkurrenten in Denver abzugeben. Es ist ja nicht so als ob in Boston Saint’sche oder Packer’sche Verhältnisse herrschen. Betrachtet man die besten QBs der Liga wird schnell deutlich, dass keiner ohne ein extravagantes Receiving-Corp auskommt. Keineswegs schwächt es die Leistung von Aaron Rodgers, Drew Brees, Peyton Manning und Eli Manning ab. Aber Fakt ist, dass alle ausnahmslos mindestens zwei Top Receiver haben, die zusammen letztes Jahr mindestens 2000 Yards abgefrühstückt haben. Nur Tom Brady hat nicht denselben Typus Mitarbeiter wie seine Wurfkollegen von der Konkurrenz. Zugegeben seine beiden Tight Ends Aaron Hernandez und Rob Gronkowski sind Monstermaschinen, die in den letzten Jahren ähnlich viele Yards gemacht haben und wichtige Catches für die Mannschaft verbuchen konnten. Doch der Weggang von Randy Moss 2010 konnte nicht kompensiert werden und auch der Weggang von Welker wird nicht mit dem Neuzugang kompensiert werden. Danny Amendola hat in den letzten Jahren bei den St. Louis Rams bewiesen, dass er zu besten Slot-Receivern gehört. In seiner neuen Mannschaft mit exzellenter O-Line und QB wird er aufblühen. Vergleicht man jedoch die verletzungsbedingten Ausfälle der beiden, wird schnell deutlich, dass Welker ein unverzichtbarer Grundstein des New-England-Erfolges war. Amendola hat von 64 Spielen 22 gefehlt, davon 20 in den letzten Jahren. Welker hat in den letzten acht Jahren, bei 128 Spielen, drei mal ausgesetzt. Football ist nicht Baseball und Spieler verletzen sich. Umso besser wenn man Spieler wie Wes Welker hat.

Anquan Boldin. Von einem Harbaugh zum anderen.
772 Receptions, 10.165 Yards, im Durchschnitt 13.2 Yards pro Ball, in den letzten zehn Jahren, 5-mal über 1000 Yards und doch ersetzbar? Analysten und Kommentatoren schütteln verständnislos die Köpfe. Warum wird einer der besten Spieler, den die Mannschaft auf dem Weg zum Superbowl-Sieg hatte, weggeschickt. Nie haben derart viele Spieler eines Superbowl-Siegers die Mannschaft verlassen. Bei den Baltimore Ravens sind es acht und einer davon ist Anquan Boldin. Boldin konnte sich auf dem Weg ins Finale durch wichtige und spektakuläre Catches auszeichnen und doch waren die vereinbarten 8 Millionen Dollar Jahresgehalt zu viel, sodass Boldin für einen lächerlichen Sechst-Runden-Pick zu den San Francisco 49ers wechselt. Ein mehr als fragwürdiger Move. Aber was bleibt einem anderes übrig, wenn der solide aber nicht Top-5-Kaliber-QB Joe Flacco eine Top-5-Kaliber-QB-Vertrag bekommt. Dann bleibt kein Geld für Ed Reed, Paul Kruger oder Dannell Ellerbe. Sicher es können nie alle Spieler bleiben. Es wird sich aber noch herausstellen, ob Flacco das Team eigenhändig zum Sieg tragen kann. Seit der Gründung der Ravens 1996, war die Mannschaft nie um den QB aufgestellt, sondern immer um die Defensive. Hätte das Management diesen Gedanken konsequent weitergedacht, hätten sie Flacco gehen lassen müssen, einen neuen, ebenso soliden QB in Draft oder Free Agency holen müssen und die Defensivkräfte halten können. Auch wenn das zu radikal gedacht ist, sinnvoll wäre es gewesen. Doch was gänzlich unnötig war, Boldin gehen zu lassen.

Erfahrung und Konstanz hat scheinbar nur wenig Wert in der NFL. Manager wetten gegen kampferprobte Veteranen. Ob die Rechnung aufgeht, bleibt fraglich.

3 Kommentare:

  1. Guter Überblick, aber ein grundlegender Fehler, den viele Kommentatoren in Bezug auf die Offseason der Ravens machen:
    1.) Der Grund, dass einige Starter die Ravens verlassen, ist NICHT Flaccos Vertrag. Der mag zwar über 6 Jahre 120,6 Mio. einbringen, hat aber in der Saison 2013 nur einen Cap-Hit von 6,8 Mio. Ziemlich wenig selbst für einen "mittelmäßigen" QB. Zum Vergleich: Terrell Suggs und Haloti Ngata haben 2013 einen Cap-Hit von ca. 13 Mio.
    2.) Die Offense der Ravens ist gut aufgestellt mit Receivern wie Jacoby Jones und Torrey Smith, beides gute Receiver, die vor allem weite Bälle fangen können (und Joe Flacco ist ein Strong Arm QB, der vorwiegend weite Bälle wirft). Boldin hat fast nur Bälle über kurze Distanz gefangen, und das kann Dennis Pitta, der beste TE der Ravens seit Todd Heap, genauso gut. So gut, dass er auch als Slot Receiver eingesetzt werden kann (was wir sicher in dr PreSeason sehen werden).
    3.) Die Defense war nur 20th gegen den Run, weshalb vor allem dort aufgestockt werden musste. Dafür musste Geld freiwerden, und deshalb musste Boldin gehen (ebenso wie Ed Reed, Ellerbe, Kruger, die man nicht überbezahlen wollte). Fürs gleiche Geld kamen nun Veteranen wie Dumervil und Huff, bei denen man weiß, dass sie konsistent spielen können (Zum Vergleich: Kruger war kein Starter, Ellerbe nur Backub von McClain, der verletzt ausgefallen war). Die Dolphins und Browns werden noch sehen, was das heißt.

    Insofern eigentlich ein paar gute (wenn auch erst unverständliche) Züge der Ravens in der OffSeason.

    Grüße,
    Phil

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    1. Zu allererst vielen Dank für deine ausführlichen Bemerkungen.

      Es stimmt, das Flaccos Vertrag dieses Jahr sehr Cap-freundlich mit nur 6,8 Mio zu Buche schlägt. Was die folgenden Jahre passieren wird, bleibt abzuwarten.

      Das Receiving Corp der Ravens ist erstklassig, aber meiner Meinung nach ist Boldin zu gut, um ihn für den Preis gehen zu lassen. Ich finde, er hat die wichtigen Dinger auf dem Weg ins Finale gefangen und sich als verlässlicher Receiver etabliert. Es bleibt abzuwarten, ob die Ravens ihn ersetzen können.

      Huff hab ich zu selten spielen gesehen, als das ich mir eine Meinung dazu bilden kann. Dumervil ist eine Macht. Er ist auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber Kruger, obwohl der gerade in den Playoffs sehr gute Leistung zeigen konnte. Ellerbe sollte oberste Priorität in der Offseason für die Ravens gewesen sein und bisher gibt es keinen Ersatz.

      Die kritische Frage, die weiterhin im Raum bleibt: Wer übernimmt die Führung der Mannschaft nach dem Weggang von Ray Lewis und Ed Reed? Dem Geld zu urteilen wird es wohl Flacco werden. Ob das funktioniert, wird sich noch zeigen.

      Beste Grüße

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  2. Sicher, ich verstehe den Trade Boldins auch nicht. Wirklich Schade, er hätte noch 1, 2 Jahre auf wirklich hohem Niveau spielen können (gerade, um Torrey Smith noch etwas "anzulernen"). Sein PlayOfRun war jedenfalls beispiellos, das ist wahr. Was mich auch stört ist, dass keine der scheinbaren FA-Prioritäten wie Kruger, Ellerbe und Reed behalten wurden. Was sich aber mit der krassen Umstellung der Defense erklärt.

    Dumervil war ein absoluter Glücksgriff, da hätten Freeney, Umenyiora und Harrison kaum mithalten können (die waren ja auch im Gespräch). Stellt Euch Suggs und Dumervil im Doppelpack vor.... arme Quarterbacks!
    Was stimmt, ist das riesige Loch bei den MLBs. Da die Ravens eine 3-4 Defense spielen, brauchen sie 2 MLBs, und wen haben sie da? McClain, der verletzt ist, und Ayanbadejo, der ein SpecialTeamsAss ist, aber wenig Erfahrung als MLB hat. Ich denke, der Draft wird da noch einiges bringen, aber wer soll sie anlernen? Ich kann mir vorstellen, dass sie Urlacher zum Rabatt bekommen. Der ist zwar auch nicht mehr der, der er einmal war, aber immerhin weiß er, wie es geht und kann junge Spieler lehren. Das bleibt abzuwarten.

    Chefs der Defense werden nun auf jeden Fall Suggs und/ oder Ngata. Und ich denke, dass mit Canty und Spears die RunDefense gut aufgestockt wurde und mit Dumervil ein besserer Kruger angekommen ist (und vor allem Upshaw für die kommenden Jahre optimal angelernt werden kann; Doom und Suggs sind ja schon um die 30).

    Huff hatte das Pech, 7 Jahre mit den Raiders spielen zu müssen. Ist ein sehr physischer Spieler, quasi ein Pollard als Free Safety, mit nem hohen Tackle-Season-Record (immer so um die 70, 80). Zwar kein so guter Ball Hawk wie Reed, aber sehr gut gegen den Run und ganz ok in der Zone Defense. Er hatte in der letzten Saison einen guten Pick gegen die Ravens, 20 Yard vor der Goal-Line.

    Mal sehen, wie Flacco sich als Leader schlägt. Ich hab aber das Gefühl, dass nun die Führung eher im ganzen Team aufgeteilt wird (nicht so wie bspw. bei den Patriots, wo nur Brady als Leader zählt), wie es vorher schon ähnlich war (nur dass Ray Lewis der krasse Wortführer war und es somit immer wie "seine Mannschaft" schien). Sie werden mehrere Leader haben (Suggs, Ngata, Flacco, Rice, Smith....), und damit werden sich künftige "Entlassungen" sicher abschwächen und der Teamgeist stärken lassen.

    Bestens,
    Phil

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