Wenn amerikanische Sportmoderatoren gegen Ende eines Spiels „You
can’t make this up, folks“ ins Mikrofon brüllen und anfangen zu lachen, dann
scheint das Spiel ein wahrlich verrücktes gewesen zu sein. In der Tat geht das
Wild-Card-Playoffs-Spiel der Kansas City Chiefs gegen die Indianapolis Colts
wohl in die Geschichtsbücher ein und ein junger Star baut weiter an seiner
Legendenbildung. Doch der Reihe nach.
Chiefs überragend in Halbzeit eins
Die Kansas City Chiefs gingen als Außenseiter in die Partie
in Indianapolis, gegen das Team, gegen das sie erst vor ein paar Wochen noch
verloren hatten und welches mit 3 Siegen Schwung für die Playoffs aufgebaut
hatte. Davon war aber in der ersten Halbzeit nichts zu sehen. Die Chiefs
dominierten das Spiel. Ein starker spielbeginnender Drive endete nach 7 Minuten
und 82 Yards in der Endzone und das obwohl Star-RB Jamaal Charles verletzt vom
Platz musste. Die Colts antworteten zwar ihrerseits mit einem beeindruckenden
Drive, in dem aber schon deutlich wurde, dass sie nur mit einem Spieler das
Spiel gewinnen konnten: QB Andrew Luck. Nicht nur wegen seiner Klasse, sondern
weil ihr Laufspiel quasi nicht vorhanden war. Der 7-7 Ausgleich war nur eine
Momentaufnahme. 2 lange Pässe von Chiefs-QB Alex Smith brachten die nächsten
Punkte für Kansas City, welches seit Joe Montana auf einen Playoff-Sieg
warteten. Nach einem Fumble von RB Trent Richardson bei seinem ersten
Laufspielzug und einem nächsten Touchdown der Chiefs, sah das schon mal nicht
schlecht aus. Alex Smith spielte fantastisch auf, wirkte sicher und oft sogar
sehr mutig mit seinen Würfen, z.B. einigen „shuffle“-Pässen. Zudem nutze Coach
Andy Reid oft die Lauffähigkeiten seines QBs und setzte auf Options-Spielzüge,
welche die Colts-Defensive das ganze Spiel über nicht in die Griff bekamen. Und
die Defensive der Chiefs dominierten nicht nur die „Line of Scrimmage“, und
übte immer wieder Druck auf Andrew Luck aus, nein, die führten dann auch zu
entscheidenden Ballverlusten. Ein wiederum sehr langer, gut designter Drive der
Chiefs gegen Ende der ersten Halbzeit mit einem Touchdown am Ende, brachte
schon fast die Vorentscheidung: mit 31-10 ging es in die Pause.
Comeback für die Geschichtsbücher
Und es wurde noch besser für Kansas City, und schlechter für
Luck und Indianapolis. Erster Versuch in der zweiten Halbzeit, erster Pass:
Interception und die Chiefs mit einem folgenden TD durch einen kurzen Pass auf RB
Knile Davis, der für Jamaal Charles die
Hauptrolle im Laufspiel der Chiefs übernommen hatte und schon im letzten
Saisonspiel 2 TDs erlief. 38-10. Das Spiel war damit quasi beendet.
Doch dann folgte die Wiederauferstehung der Colts. Angeführt
von Luck, der sich nun umringt von mehreren Chiefs-Verteidigern immer besser
bewegte und WR T.Y. Hilton stellte ein Touchdown schnell wieder den Anschluss
her. Das Momemtum wandte sich. Und mit einem Sack und Fumble verursacht von Star-Verteidger
Robert Mathis an Alex Smith folgten wiederum Punkte für die Colts. Nur noch
38-24.
Kansas City wirkte verunsichert, vor allem auch wegen
einigen verletzungsbedingten Ausfällen, welche sich nun immer mehr häuften: Brandon
Flowers als bester Cornerback musste verletzt raus, ebenso wie vorher RB Charles und WR Avery (jeweils mit
Gehirnerschütterung). Sollte hier tatsächlich noch eine Wende eingeleitet
werden?
Eine gute Verteidigungsleistung stoppte zumindest schon mal
die Chiefs Offensive und brachte Luck wieder in Position. Doch dieser warf abermals
einen schlechten Pass, dieses Mal auf T.Y.Hilton, welcher den Ball nicht
richtig fangen konnte und Chiefs-CB Abdullah den Ball an sich riss – die dritte
Interception von Luck. Die Folgen hielten sich in Grenzen, da die Chiefs nur
ein FG draus machten. Trotzdem ein fataler Ballverlust in diesem Moment des
Spiels.
Andrew Luck der Matchwinner
Doch Andrew Luck wollte das Spiel jetzt unbedingt drehen: Er
improvisierte einige Würfe und trimmte das Tempo der Playcalls nochmals
deutlich nach oben. Ein schneller TD zu TE Fleener machte es 41-31 und keine
Punkte beim nächsten Kansas City-Drive machten weiterhin Hoffnung. Und die
Offensive um Andrew Luck war nun nicht mehr stoppen. Luck bewegte sich in der „pocket“
immer wieder großartig, kreierte Spielzüge und lief sogar selber. Dann fumbelte
jedoch RB Brown kurz vor der Endzone, der Ball fiel Luck vor die Füße, nahm ihn
geistesgegenwärtig auf und er streckte sich damit in die Endzone. 41-38. „You can’t make up this,
folks…” kommentierte Mike Mayock, Ober-Analyst bei NFL Network. Wenn das
Wort “Momentum” jemals eine Bedeutung, dann in diesem Spiel.
Doch die Chiefs – trotz einer weiteren Verletzung, dieses
Mal vom so wichtigen RB Knile Davis – brachten weiter einen erstaunlichen Drive
zusammen. Eigentlich ein Play-Calling-Alptraum mit so vielen Optionen nicht
mehr vorhanden. Erstaunlich, welche Spieler von der Bank auf einmal wichtige
Würfe fingen. Ein Field Goal zur 6 Punkte Führung war die Belohnung. Andrew
Luck brauchte nun schon (mal wieder) einen Game Winning Touchdown Drive. 4
Spielzüge und ein 64-Yard-Touchdown-Pass
später war esgeschehen. T.Y.Hilton lief sich frei und Luck warf einen wunderbaren
Pass, der im Touchdown endete. Unfassbar.
Chiefs am Ende ohne Glück (und Spieler)
Doch das Spiel war noch nicht zu Ende, 4 Minuten noch zu
spiele und nur 1 Punkt Rückstand. Kommen die Chiefs noch mal zurück? Zwei
Spielzüge später waren sie jedenfalls schon in der Hälfte der Colts. Doch ein
Intentional Grounding des unter Druck geratenen Alex Smith zwang sie wieder
zurück. Es musste ein vierter Versuch und 11 Yards her. Doch ein Pass von Smith
zu WR Dwayne Bowe kann dieser nur mit einem halben Schritt im Aus fangen. Das
Spiel war zu Ende und eines des größten Comebacks in der Geschichte der NFL
perfekt.
So begann also das WILD-Card-Wochenende… - verrückter ging
es kaum.
Den Colts muss man hoch anrechnen, weiter an sich geglaubt
zu haben. Sie zogen ihr Spiel weiter durch und zerstörten nahezu die
Passverteidigung der Chiefs. Spielen sie diesbezüglich weiter so explosiv,
dürften sie für jeden Gegner eine Gefahr sein. Und mit Andrew Luck haben sie wirklich immer eine Chance zu gewinnen. Dass die Verteidigung gerade gegen die
verletzungsfreien Chiefs in der ersten Halbzeit ziemlich hilflos aussah, dürfte
aber zu denken geben. Tom Brady und Peyton Manning werden ähnlich Lücken
bestimmt ebenso ausnutzen.
Die Chiefs müssen diese Niederlage erst einmal verdauen.
Ihnen gingen am Ende schlicht die Puste bzw. die Spieler aus. So viele
Verletzte innerhalb eines so wichtigen Spiels gab es wohl noch nie. Ganz
scheiterten sie an ihrem ersten wichtigen Sieg in dieser Saison, 1 Punkt fehlte
am Ende.
Aber hey, danke für dieses Spiel.
ms
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