Dienstag, 8. Januar 2013

Wildcard-Sonntag: Drama um RG3 und triumphaler Abschied von Ray Lewis in Baltimore

Als ob der Wildcard-Sonntag nicht schon genug Stoff für Geschichten lieferte und zwei spannende Begegnungen bevor standen, sorgte schon vor dem Spiel der Ravens gegen die Colts ein Vorkommnis für Dramatik: Offensive Coordinator Bruce Arians, der den an Leukämie erkrankten Cheftrainer Chuck Pagano hervorragend vertreten hatte, klagte während des Team-Essen über Schmerzen und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. 

Colts-Offensive ohne Verwertbares gegen die Ray & Company
Ersatzweise musste der Quarterback-Coach der Colts die Spielzüge ansagen, was insgesamt wohl ein ungewohntes Gefühl für die Colts-Offensive war. Sie spielten zwar weiterhin sehr variabel und mit einem nahezu ausgeglichenen Verhältnis zwischen Pass- und Laufspielzüge, aber der entscheidende Pass oder Durchbruch durch die Verteidigungslinien gelang dem Angriff aus Indianapolis nicht wirklich. Ungünstigerweise: das gesamte Spiel nicht!
Kein einziger Touchdown blieb QB Andrew Luck und Co gegen Baltimore verwehrt. Oft legten das Team eine gute Reihe von Spielzügen hin, aber immer wieder war in oder vor der Red-Zone Schluß. Zwei Drittel der Spielzeit hatten die Colts den Ball, aber daraus machen, konnten sie wenig. Jedes Yard mussten sie sich gegen die Ravens Defense erkämpfen, oft waren 3 Versuche nötig - am Ende waren es sage und schreibe 20 Dritte-Versuche - das zährt. 
Dafür mitverantwortlich: Ray Lewis!
Der Linebacker war nach langer Verletzungspause wieder zurück im Team und hatte seinen Mannen auch noch dadurch motiviert, dass dies seine letzten Spiele im Ravens-Trikot sein würden. Dementsprechend ging die Defense der Ravens dann auch zu Werke. Auch Lewis spielte sehr gut, machte wichtige Tackles und hätte noch fast eine Interception gefangen. Von der Intensität der Defensive war im Angriff der Ravens aber lange Zeit nicht viel zu sehen. Zwar auch sehr ausgeglichen, aber Star-RB Ray Rice verlor den Ball gleich zweimal, was Punkte verhinderte und lange Zeit das Spiel offen hielt. Erst kurz vor der Halbzeitpause reihten QB Joe Flacco und Co einige gute Spielzüge aneinander und gingen mit einem 10-6 in die Pause.

Boldin zeigt seine Wichtigkeit - gerade in den Playoffs
Die zweite Halbzeit stand dann aber ganz im Zeichen von Anquan Boldin. Der 32-jährige Wide Receiver war lange Zeit nicht so wirklich im Fokus der Beobachter des Teams, aber in den Playoffs wird er zur wichtigsten und vor allen Dingen sichersten Anspielstation für Joe Flacco. Durch mehrere gefangenen lange Würfe an der Außenlinie bereitete er den TD zum 17-6 vor und fängt in einer kritischen Phase auch noch selbst einen Pass in der Endzone zum vorentscheidenden 24-9. Arbeitsnachweis: 5 gefangene Pässe für 145 Yards. Das ist mal ordentlich.
Die Colts hatten zwischenzeitlich sogar mal danach ausgesehen, ins Spiel zurückzukommen. Kicker Adam Vinateri verfehlte nach dem 2. Ray-Rice-Fumble ein Field Goal zum 12-17, ein langer Ball auf WR Avery kann nicht festgehalten werden und Rookie-QB Luck wirft kurz vor der Endzone bei 4th and 1 eine Interception - die Colts hatten ihre Chancen, konnten sie aber leider nicht nutzen. Da sind die Ravens ihnen noch einen deutlichen Schritt voraus und schlicht erfahrener. Vielleicht sieht das nächste Saison schon anders aus. Die überragende Saison des jungen Teams aus Indianapolis muss nächstes Jahr erstmal wiederholt werden. Für Baltimore geht es jetzt nach Denver. Peyton Manning vs Ray Lewis... oh lord.!
ob er dann auch wieder tanzt?



Das Duell der Rookies in Washington
Das zweite Spiel am Sonntag-Abend hatte es ebenso in sich. Die beiden zumindest in ihrer Form Überraschungsteams der NFC standen sich gegenüber. Die Washington Redskins mit ihren beiden Rookie-Stars - QB Robert Griffin 3 und RB Alfred Morris - und die Seattle Seahawks mit QB Russell Wilson.
Von den Seahawks war aber im ersten Viertel so gut wie nichts zu sehen! Die Redskins legten los wie die Feuerwehr und waren gleich voll da: Pässe, Laufspielzüge - ausgeglichen wie immer - jagten sie übers Feld. Plötzlich stand es 14-0 durch zwei kurze TD-Pässe von RG3. Wow, das war schon beeindruckend, gerade auch RB Alfred Morris, der im Schnitt auf 5 Yards pro Spielzug kam.
Ein Wermutstropfen war aber schon bei dem zweiten Touchdown-Drive zu verkraften: Bei einem Wurf beim Laufen bzw. im Fallen verdreht sich RG3 ein wenig das eh schon lädierte Knie und spielt danach nicht mehr wie der alte! Er humpelte nur noch über das Feld - spätestens da hatte die Seahawks-Defense Run-Option der Redskins und RG3 wohl aus ihrem Gefahren-Plan gestrichen...

Nach dem ersten Viertel: nur noch Seattle
Die Seahawks mussten nach dem Rückstand erstmal im Spiel ankommen und sich auf ihre Stärken besinnen, und das hieß in diesem Fall oft RB Marshawn Lynch, der mit dem zweiten Viertel aufdrehte, genauso wie QB Russell Wilson. Schon zur Halbzeit vollendeten die Seahawks 3 Drives mit Punkten und es ging mit 13-14 in die Pause. RG3 hatte mittlerweile deutliche Probleme und bei einem langen Wurf auch noch hervorragend intercepted.
Und die Seahawks hörten einfach nicht auf Druck zu machen und fanden sichtlich in ihre Form der letzten Wochen (150 Punkte in 3 Spielen) zurück. Selbst ein Fumble im dritten Viertel von Lynch kurz vor der Endzone brachte das Team nicht aus dem Rhythmus. Die Redskins Verteidigung hielt zwar dagegen und verteidigte die Führung, doch offensiv ging so gut wie gar nichts mehr. Zwar war RB Morris weiterhin produktiv, aber von RG3 war nichts mehr zu erwarten: In den letzten 3 Viertel warf er nur für 16 Yards. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Überlegenheit der Seahawks auch in Punkte umgewandelt würde. Im vierten Viertel macht ausgerechnet RB Lynch seinen Fehler wieder gut und erläuft - mit blockender Unterstützung von seinem QB - den Touchdown zur 21-14 Führung. Und wer dann noch an eine Wende durch die Redskins gedacht hatte, der wurde gleich in Schockstarre versetzt.

Spiel wird zur Nebensache

Gewillt den Comeback-Drive einzuleiten geht gleich alles schief: Erst ein verlustreicher Sack gegen den angeschlagenen RG3 und dann ein schlechter Snap, der in einen Ballverlust kurz vor der eigenen Endzone resultierte. Seattle machte zwar nur 3 Punkte draus, aber das Spiel war gelaufen. RG3 hatte sich nämlich beim Versuch den Ball beim Snap-Verlust zurückzuholen schwer das lädierte Knie verdreht. Totenstille im Stadion, welche nur durch das Aufrechtgehen des Star-Rookie-QBs wieder aufgelöst wurde. Der eingewechselte und Comeback-Sieg-erprobte Kirk Cousins konnte dann nichts mehr weiter ausrichten. 24-14 hieß es am Ende.
Die Seahawks feiern somit ihren sechsten Sieg in Folge und fahren als eines der heißesten Teams nun nach Atlanta und dort Matt Ryan und Co von ihrem ersten Playoff-Sieg abzuhalten.

Fragen und Kontroverse zum Einsatz von RG3
Das Ende des Spiels war noch nicht mal erreicht, da ging die Diskussion um die Verletzung von RG3 schon los. Experten und Analysten debattierten, warum man den angeschlagenen QB nicht schon früher vom Feld geholt hat. Für jemanden wie mich, der das Spiel live verfolgt hat, stellt sich die gleiche Frage: Es war anzusehen, dass RG3 nicht voll einsatzfähig war - warum riskiert man einerseits noch eine schlimmere Verletzung seines - auch für die Zukunft - wichtigsten Spielers und gibt verschlechtert zudem die Performance seines Angriffspiels? Für mich komplett unverständlich.
Garniert wird diese Frage noch mit einem Artikel von USA Today, in dem der Teamarzt der Redskins - Dr. James Andrews - schon beim im Spiel gegen die Baltimore Ravens RG3 niemals für wieder spielfähig deklariert hatte, wie Coach Mike Shanahan in einem Interview nach dem Spiel gesagt hatte. Er hätte Griffin während dieses Spiels gar nicht untersucht, erst als dieser nach weiteren 4 Spielzügen selbst nicht mehr konnte und Kirk Cousins den Sieg der Skins perfekt machte. Andrews war auch noch vor dem Spiel gegen Seattle immer noch sehr besorgt über den Zustand RG3s. Er hätte ihn nicht so schnell wieder spielen lassen und alles was jetzt passiere, geschähe in einem Erholungsmodus - und das obwohl RG3 alle relevanten Tests zu seiner Spielfähigkeit bestanden hatte.
Die Eingeschränktheit war am Anfang des Spiels vielleicht noch nicht so offensichtlich, aber spätestens im zweiten Viertel war dies eindeutig. Coach Shanahan hatte in seiner Pressekonferenz eine einfach Antwort: Er fragte RG3, ob es noch ginge und dieser bejahte dies und fügte hinzu, er hätte es verdient, auf dem Feld zu bleiben. Der Coach konnte dem nicht widersprechen und vertraute seinem Spieler und seinem Bauchgefühl - obwohl er über dieses jetzt die Ferien drüber nachdenken werde.
Griffin selbst gab sogar zu, er habe sich wohl einem größeren Risiko ausgesetzt als sonst schon, aber er sei schließlich der QB und die beste Option für das Team und müsse deshalb auf den Platz. Heroenhaftes Verhalten, was übrigens von nahezu allen Experten - meist Ex-Spielern - durch die Bank gelobt wurde. Wenn ihr mich fragt: In solchen Fällen hätte man den Spieler auch mal vor sich selbst schützen können. Das RG3 fast erst krauchend vom Feld kommt, entspricht vielleicht dem aufopfernden Härte-Verständnis vom Nationalsport American Football, mit gesundem Menschenverstand eher weniger...



ms

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