Dienstag, 25. September 2012

Packers verlieren in Skandalspiel gegen Seattle - die NFL wird zur Farce


Ich hatte mich schon darauf eingestellt, einen interessanten Artikel über das Monday Night Game der NFL zu schreiben. Spannendes Duell hatte sich da angekündigt: zwei Teams mit jeweils einer Niederlage zum Beginn der Saison, aber dann wiederum mit sehr überzeugenden Siegen in Woche 2 (Seattle gegen die Cowboys, die Packers gegen die Bears). Der Ausgang des Spiels könnte für beide Teams also richtungsweisend für die Saison werden. Was es stattdessen wurde, ist ein Symbol für die Absurdität, die sich derzeit in der NFL abspielt.
Wenn der amtierende MVP der Liga – QB Aaron Rodgers von den Green Bay Packers - schon etwas süffisant in der Pressekonferenz auf die Frage, ob er die Liga schon jeweils in solch einem Chaos gesehen hätte, kurz angebunden antwortet: „ähhh, NO....“, dann zeigt das einiges.
Was war passiert?

Spannendes Spiel wird zur Farce
Das Spiel in Seattle entwickelte sich in den Schlussminuten von einem umkämpften Defensiv-Schlagabtausch zu einem jetzt schon legendärem Drama.
Die erste Halbzeit ist dabei schnell erzählt: Seattles Defensive dominierte das Spiel, ließ Aaron Rodgers und seiner Offensive überhaupt nicht ins Spiel kommen und brachte den Star-QB unzählige Male zu Boden. Eine ganze schlechte Vorstellung der Packers, die zwar defensiv auch wenig zuließen, aber einen Spielzug der Seahawks zu einem Touchdown nicht verhindern konnten. Die zweite Halbzeit stellt aber alles auf dem Kopf. Die Packers fingen nun endlich an, ihren neu-erworbenen RB Cedric Benson effektiv zu nutzen, mauerten ellen-lange Drives zurecht und punkteten wiederholend. Unterstützt durch eine Defensive, die Seattle kaum noch was erlaubte, und einem fragwürdigen Pass-Interference-Call gegen Seattle, der einen Drive der Packers am Leben erhielt, führte Green Bay Mitte des 4. Viertels mit 12:7. Und es sah nicht so aus, als ob die Seahawks davon nochmal zurückkommen würden – bis dahin hatten sie in der gesamten zweiten Halbzeit Negativ-Yards erspielt.
Ich hatte mich schon innerlich darauf eingestellt zu schreiben, dass die Packers sich ja doch noch berappelt hätten und ihr Potential offensiv wie vor allen Dingen defensiv noch halbwegs ausgeschöpft haben, um das junge Team aus Seattle zu schlagen... Doch dann kamen die Schiris, genauer gesagt die Amateure.

Amateurschiedsrichter entscheiden das Spiel
Seit Beginn der Saison ist es Thema und als Fan, ja als Beobachter ist es schwer, sich in Analysen - auch hier - einzig auf das Spiel und dessen Feinheiten zu konzentrieren, aber jede Woche versucht man es. Doch ein gewisses Level wurde gestern abend deutlich überschritten!
Die Seahawks starteten 8 Minuten vor Schluss ihre Aufholjagd. Erster Spielzug: QB Russell Wilson rennt aus der Pocket, wirft, Wide Receiver kann nicht richtig fangen, zack ist der Verteidiger da: Interception. Spiel so gut wie gelaufen. Doch es liegt ein Flagge auf dem Feld: OLB Walden sprintete hinter Wilson her, sprang und als dieser warf, erwischte er ihn am Fuß. Für die Amateur-Schiris ein Grund, um auf 15-Yard-Strafe zu entscheiden. Damit bekamen die Seahawks natürlich auch den Ball wieder und es ging weiter. Seattle wieder im Spiel? Nicht wirklich. Kurze Zeit später: Erster Versuch und 25 Yards zu schaffen: Langer Pass von QB Wilson an die Seitenlinie, WR Sidney Rice greift Verteidiger Sam Shields an der Schulter, der dadurch die Interception nicht fangen kann. Wieder eine Flagge... - alle Proteste der Packers umsonst: es geht gegen Shields für Defensive Pass Interference. 15 Yards und neues 1st and 10 für die Seahawks. Mit gegensätzlichem Call wäre es fast das Ende gewesen, mit 6 Minuten vor Ende. 
Doch es ging weiter. Die Seahawks standen wie aus dem nichts an der 25 Yard Linie, brauchten aber einen Touchdown. Die starke Packers-Defense ließ sie aber nur bis zur 7-Yard-Linie kommen und auch 4 Versuche reichten nicht aus, um in die Endzone zu kommen. 2 Minuten vor Schluss hatten die Packers wieder den Ball und führten. Die Zeit lief runter und nach einem Punt der Packers waren nur noch wenige Sekunden zu spielen – letzter Versuch: ein Hail-Mary-Pass in die Endzone.

Hail-Mary-Pass mit ungewissem Ausgang
Dort warteten 6 Spieler auf den langen Ball. WR Brandon Tate schubste kurzerhand CB Shields um und sprang auch noch mit hoch - ungesehen natürlich. Er schaffte es auch an den Ball zu kommen, aber Packers CB MD Williams war eher dran, grabschte den Ball mit beiden Händen und zog ihn an seinen Körper. WR Tate hatte seine Hand auch am Ball und versuchte beim Zu-Boden-Gehen den Ball aus der Hand von Williams zu reißen. Ein Kampf entbrannte. Und plötzlich stehen da zwei Amateurschiris: der eine die Arme hoch als Signal für einen TD Seattle, der andere die Arme in der Waagerechten für eine Safety der Packers!
Schon jetzt das Bild des Jahres.
Aber Ruling-on-the-Field war TD Seattle durch Brandon Tate, der nach dem ganzem Gerangel auch mit dem Ball in der Hand vom Felde schlich. Das Chaos war da. Keine war sich einig und keiner wusste, was jetzt zu tun war. Selbst WR Tate war sich unsicher... Erstmal die Wiederholung per Video anschauen, dachte man sich und würde ja klar werden, dass CB Jennings eher am Ball war und somit die Packers gewonnen hätten. Ewiges Warten und dann der „Seattle Shocker“: das Ruling-on-the-field bleibt bestehen. Die Amateure sahen keinen Grund, das Urteil zu revidieren und verhalfen damit den Seahawks zum Sieg.

Der Skandal war perfekt
Die Packers Spieler und Trainer verlassen wutentbrannt das Spielfeld, obwohl noch ein Extrapunkt gekickt werden muss, um das Spiel zu beenden. Das geschieht dann erst auf Zureden 10 Minuten später. Irgendwie denkt jeder, er sei im falschen Film. In der Umkleide der Packers wird die Szene auf dem TVgezeigt: Gelächter bricht aus, Handtücher fliegen Richtung Anlage. Spieler üben sich in Sarkasmus und loben die Leistung der Schiris. MVP-QBs sind einsilbig und bedient, Green Bay Trainer McCarthy ist nahezu sprachlos.
Mal abgesehen davon, dass die Packers damit nach einem guten Comeback einen Sieg entrissen bekommen haben, sind sie noch recht milde und faseln davon, dass sie sich selbst nicht in diese Situation hätten bringen müssen. Das ist nobel und vollkommen richtig. Gut gespielt haben sie in der ersten Halbzeit nicht, aber dieser Ausgang bringt die gesamten NFL in eine tiefe Krise.
Spieler aus anderen Teams kommentieren via Twitter die Leistung der Schiris, sprechen an, wie sie denn so noch die Offiziellen respektieren sollen? Dazu hatte die NFL alle Teams vor dem Wochenende nochmal ermahnt. Die Stimmung unter den Spielern bricht dementsprechend Bände. Packers OT TJ Lang twittert: „F**k it NFL“. Man solle ihn doch ruhig bestrafen und das Geld verwenden, die Profi-Schiris wieder einzustellen. Die entsprechenden Re-Tweets folgen sekündlich.
Kommentatoren und Ex-Spieler sind fassungslos angesichts der Entscheidungen. Immer öfter liest man den Kommentar: Boykottiert die NFL.
So zumindest unter einem Statement der Liga zu der Entscheidung bei dem Hail-Mary-Pass am Ende des Spiels. Durch die TV-Aufnahmen hätte es keine eindeutigen Beweise gegeben, das Ruling-on-the-Field zu revidieren.... Dass verschiedene Schiris schon auf dem Feld unterschiedliche Meinungen hatten und eher notgedrungen auf TD entschieden wurde, wird nicht erwähnt.


Eine Farce

Die NFL ist mit diesem Monday Night Game an einem kritischen Punkt angelangt. Die Mängel der Amateur-Schiedsrichter ist unübersehbar. Klar, sie machen ihren Job so gut sie können, aber es wird immer klarer, dass sie diesem Niveau einfach nicht gewachsen sind. Zu viele Fehlentscheidungen sind jede Woche zu beobachten. Und es werden Spiele dadurch entschieden. Darren Sharper merkt bei NFL Network an, dass einen NFL-Saison eben nicht 82 Spiele in einer Saison hat, wie in der NBA, sondern jedes einzelne Spiel entscheidend ist. Nicht auszumalen ist es, wenn der Rekord-Champion Green Bay am Ende ein Sieg zum Erreichen der Playoffs fehlt...
Schon während des MNF-Games erwähnte der Reporter, wann eigentlich endlich die Besitzer der NFL-Teams einschreiten würden? Es sind schließlich ihre Millionen, die hierbei auf dem Spiel stehen.
Und auch die Sicherheit der Spieler ist immer wieder ein Thema. Wenn man als Spieler bei Schiedsrichter-Entscheidungen keine klare Linie sieht oder bemerkt, dass nicht alle Aktionen gesehen werden, dann nutzt man dies aus. Die Frustration wird automatisch größer, wenn man weiß, derjenige, der da gerade die Strafe verteilt, stünde normalerweise gar nicht da. Die Hemmschwelle sinkt, was sich z.B. auch daran zeigt, dass es immer mehr Rangeleien auf dem Feld gibt. Selbst Star-Trainer Bill Belichick ging nach dem knappem Ausgang seiner Patriots gegen Baltimore die Schiedsrichter auch physisch an.
Fazit ist, dass es so nicht weiter gehen kann.
Warum die Liga das selbst noch nicht begriffen hat und warum die Verhandlungen zwischen NFL und Schiedsrichter-Gewerkschafter just am Sonntag wiedermal erfolglos blieben, ist mir weiterhin ein Rätsel. Die Gehälter der Schiris sind im Vergleich zu denen der Spieler ein Witz. Genauso wie das Spiel gestern.
Zur Zeit ist es tatsächlich sehr schwierig, sich die NFL anzuschauen... - „just painful to watch“.
Schade und ärgerlich.

ms

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